Karin Feuerstein sitzt an einer Schlüsselposition auf dem Weg in die IKB. Wer mit drängenden Fragen die Nummer des IKB-Kundenservice wählt und bei Karin landet, bekommt nicht nur kompetente Auskünfte, sondern kommt auch in den Hör-Genuss einer richtig schönen Stimme. „Man muss die Menschen mögen und man muss das Telefonieren mögen“, weiß sie. Beides tut sie. Und wie.
Karin Feuerstein ist blind. „Ich habe einen angeborenen grünen Star und als Draufgabe habe ich mit fünf Jahren mein linkes, besseres Auge komplett verloren“, erzählt sie. Selbst wenn Karin betont, dass Kinder sich relativ rasch „daran“ gewöhnen, hat der große Verlust ein großes Stück weit ihr Leben bestimmt. In einer Welt, die auf Sehende aus- und eingerichtet ist, ist diese Herausforderung für Sehbehinderte eine Art Dauerzustand. „Ja, mein Leben ist nicht in geraden Linien verlaufen“, sagt Karin. Sie schmunzelt dabei hörbar und stellt zu den tristeren Umwegen ihres Lebens fest: „Man lernt schon ein bisschen Kampfgeist.“
Dieser sympathische Kampfgeist zeichnete auch Louis Braille aus. Der Erfinder der Blindenschrift hatte sein Sehvermögen ebenso in ganz jungen Jahren verloren und auch ihn hatte das verlorene Licht mehr angespornt als betrübt. Früh wurde das von Braille erfundene Punktschriftsystem Karins Schlüssel zur selbstständigen Erkundung des geschriebenen Universums und neue technologische Möglichkeiten erweiterten im Lauf der Jahre auch das ihre. So selbstständig wie möglich zu leben und zu arbeiten lag und liegt ihr sehr am Herzen. Kampfgeist ist dabei eine entscheidende Triebfeder, sind die Barrieren, die täglich überwunden werden müssen, doch nicht nur auf sprichwörtliche Stolpersteine am Weg begrenzt.
Apropos Weg. Aufgewachsen ist Karin in Deutschland, wo sie auch die Ausbildung zur Masseurin absolvierte - „mit Examen und allem Drum und Dran“, wie sie sagt. An der Ostsee verlor sie ihr Herz an einen Tiroler und so landete sie schließlich in den Bergen und im Jahr 1999 bei der IKB. „Sie hatten eine Frau für die Telefonzentrale gesucht und beim Blindenverband nachgefragt“, erinnert sich Karin. Das Unternehmen über viele Jahre richtig gut kennengelernt zu haben wurde zu einem positiven Knackpunkt, als sie 2017 von der Telefonzentrale in das IKB-Kundenservice wechselte.
„Das ging Schritt für Schritt und war schon eine große Herausforderung. Die Computer-Programme sind ja nicht so barrierefrei, dass ich mich einfach hinsetzen und sie bedienen kann“, sagt Karin. Um das nachzuvollziehen, reicht das kurze Schließen der Augen vor dem Bildschirm. Eine Art Dolmetsch-Programm, ein sogenannter Screen Reader, ist notwendig, damit alle Worte, Zeichen und Farben, die auf dem Monitor erscheinen, hörbar und auf der Braillezeile spürbar, sowie die Tasten bedienbar werden. Technische Umstellungen, neue Programme oder Updates bedeuten für Karin enorm viel Lernarbeit, um Barrieren zu überwinden, von denen Sehende keinen Schimmer haben. „Das fordert und fördert einen. Ich lerne sehr gerne und meine Kolleg:innen finden es recht lustig, dass mein Computer die ganze Zeit redet“, sagt Karin.
Die Kundenservice-Mitarbeiter:innen der IKB sitzen an Schlüsselpositionen des Unternehmens. Sie sind oft die ersten Kontaktpersonen und prägen so ein Stück weit das Bild der IKB nach außen. Sie müssen nicht nur fachlich im Zusammenhang mit der breiten Palette an IKB-Dienstleistungen, sondern vor allem auch menschlich kompetent sein. „Es ist nicht so einfach, wie man sich das landläufig vorstellt“, rückt Karin ein dümmliches Vorurteil gegenüber Callcenter-Mitarbeiter:innen zurecht - und sie sagt: „Am Telefon begegnet einem die ganze Palette Mensch.“
Das Spektrum reicht von Schüchternen, die nicht wissen, wie sie sich ausdrücken sollen bis hin zu jenen, die erst einmal auf Krawall gebürstet sind. Andere wieder haben eine kleine Frage, wollen aber ihr Herz ausschütten. Die Palette, von der Karin spricht, ist echt bunt und es wäre keine Überraschung, wenn Kund:innen, die bei ihr „landen“, versuchen würden, das Ende des Gespräches hinauszuzögern. Tonlage und Tempo ihrer Stimme sind nämlich ein wahrer Hör-Genuss.
„Mir macht die Arbeit sehr viel Spaß. Man muss die Menschen mögen und man muss das Telefonieren mögen“, weiß Karin. Beides tut sie. Und wie. Karin: „Wir Blinde sind ja nicht die erste Wahl, wenn es darum geht, Mitarbeiter:innen einzustellen. Darum ist das ein großes Geschenk.“ Sie ist das auch.