Reinhard Fohringer (36) steckt mittendrin - in der turbulenten neuen Energiewelt. Als Experte für Energiewirtschaft im IKB-Bereich Strom-Netz jongliert er auch gekonnt mit den gigantischen Herausforderungen, welche die Umstellung auf die Erneuerbaren mit sich bringt.
Früher war alles besser. Der Satz reizt zum Widerspruch. Ganz unbedingt tut er das - auch wenn's um Energie geht, ja vor allem, wenn's um Energiegewinnung geht. "Eine Intention, die wir alle haben, ist den Klimawandel einzudämmen und ein großer Hebel dafür sind die erneuerbaren Energien", stellt Reinhard Fohringer klar, warum im Zusammenhang mit Stromerzeugung eben nicht davon gesprochen werden darf, dass früher alles besser war.
Reinhard arbeitet im IKB-Bereich Strom-Netz. Er ist Experte für europäische Energiewirtschaft, die gerade mitten im größten Umbruch steckt, seit die Welt elektrifiziert wurde. Besser war die Energiewelt früher angesichts der CO2 in unheimlichen Mengen ausstoßenden, mit fossilen Brennstoffen befeuerten Kraftwerke sicher nicht. Von Atomkraftwerken ganz zu schweigen. Was in dem Zusammenhang aber fix festgestellt werden kann, ist: Früher war alles einfacher. "In der Vergangenheit hatten wir große Kraftwerke mit großer Leistung relativ nahe an den Verbraucherzentren. Der Strom musste nicht über weite Strecken transportiert werden", blickt Reinhard zurück.
Es ist nicht lange her, dass diese ziemlich simple Form der Stromerzeugung europäischer Standard gewesen ist. Bis in den 1990er-Jahren das Bewusstsein gegenüber den "Treibhausgasen" wuchs, Klimaschutz zum Thema und mit dem 2005 in Kraft getretenen Krypto-Protokoll zum großen politischen Ziel wurde. Bald wurde das Wort Energiewende geboren und mit ihm wurde ein Paradigmenwechsel eingeleitet, der für Stromerzeuger, Netzbetreiber, Stromlieferanten wie für Stromkundinnen und Stromkunden eine der größten Herausforderungen darstellt. "Jetzt haben wir auf großen Flächen erneuerbare Anlagen, wie Photovoltaik oder Windkraft, deren geringere Energiedichte eingefangen und oft über weite Strecken transportiert werden muss", erklärt Reinhard, warum den Stromnetzen, ihrem teuren Ausbau und vor allem der Netzstabilität höchste Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Wind und Sonne lassen sich nicht mehr Knopfdruck ein- und ausschalten. Mal liefern sie extrem viel, mal extrem wenig Energie in die über ganz Europa zusammenhängenden Netze. Im Netz muss das Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch unbedingt aufrecht erhalten werden, damit es allerschlimmstenfalls nicht zu einem Blackout kommt.
Das ist ein Balance-Akt, der Strom- und Netzanbieter massiv auf Trab hält und zusammenschweißt. Zusammengeschweißt sind sie und ihre Kundinnen und Kunden auch durch die Strombörse, die seit der Liberalisierung der Elektrizitätsmärkte den Strompreis in weiten Teilen nach dem Angebot- und Nachfrageprinzip bestimmt. Wird wenig Energie durch die Erneuerbaren eingespeist, ist der Preis hoch, wird zu viel eingespeist, kann er sogar negativ werden und dazu führen, dass große Kraftwerke abgeriegelt werden müssen. Solange die saisonalen Ungleichgewichte nicht mit neuen Speichertechnologien ausgeglichen werden können, bleiben die Marktmechanismen hochkomplex und letztlich knallhart. "Im Sommer erzeugen wir mit unseren Wasserkraftwerken und PV-Anlagen zum Teil mehr Strom, als unsere Kundinnen und Kunden brauchen. Das heißt wir müssen einen Teil günstig verkaufen. Im Winter erzeugen wir nur einen Bruchteil, da müssen wir Strom dazukaufen", erklärt Reinhard, der auch diese IKB-Balance im Auge haben und managen muss. "Am Ende geht es immer um die Balance zwischen Leistbarkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit", beschreibt Reinhard das energiewirtschaftliche Zieldreieck, das mit der Energiewende eine gänzlich neue Dynamik bekam.
Eine Dynamik, die auch ihn überraschte. Als die erneuerbaren Energien noch in ihren Kinderschuhen steckten, haben sie Reinhard schon interessiert und alles Elektrische hatte ihn früh schon elektrisiert. Sein Weg hat den auf einem Bauernhof im Unterland Aufgewachsenen dann auch nicht - wie schon den Eltern vorschwebte - in die Landwirtschaft, sondern auf schicksalhaften Umwegen zur FH Kufstein geführt, wo er europäische Energiewirtschaft studierte. Im Rahmen eines Praktikums landete er 2013 erstmals bei der IKB, von der er sich nach Ende seines Studiums auch sehr gerne wieder anheuern ließ. "Als ich mit dem Studium angefangen habe, hätte ich nie damit gerechnet, dass das zehn Jahre später so aufregend werden würde", erzählt er und betont: "Im Studium war der Erneuerbarenausbau noch so weit weg. Jetzt sind wir mittendrin." Mittendrin zu sein und seinen Beitrag dazu zu leisten, dass die große Transformation gelingt, ist seine Leidenschaft. "Das ist extrem spannend." Stimmt.
Willst du mehr über Strom erfahren, ein Wasserkraftwerk oder Umspannwerk besuchen? Komm zum Erlebnistag Energie am 28. Juni beim IKB-Smart-City-Lab! Mehr dazu: www.ikb.at/30jahre
Juni 2024