Dass Martin Schöpf alle technischen Details von Anlagen und Maschinen bis ins kleinste Detail verstehen will, ist die perfekte Voraussetzung für seinen Job. „Natürlich auch weil ich die Details verstehen muss“, erklärt er. Martin ist Maschinenbaumeister und Spezialist für Korrosionsschutz bei der IKB-Strom-Erzeugung und stellte sein Know-how gerade bei der Revision einer imposanten Kaplan-Turbine unter Beweis.
Hochspannung durchzuckte den Moment, als die Maschine wieder in Betrieb genommen wurde. „Da hält man kurz die Luft an“, bestätigt Martin Schöpf die Aufregung, die ihn und seine Kolleginnen und Kollegen erfasste, als der entscheidende Schalter umgelegt wurde. „Es hat alles funktioniert. Die Turbine läuft“, sagt Martin. Die Erleichterung schwingt noch immer mit, wenn er davon erzählt. Kein Wunder, war es doch ein extrem spannendes Projekt, das ihn von November 2022 bis April 2023 auf Trab gehalten und sein Fachwissen auf vielen Ebenen gefordert hat. Martin ist Techniker bei der Strom-Erzeugung der IKB. Seit 2005 ist er schon dabei und zu seinen Aufgaben zählt auch die Wartung all der komplexen Wasserkraftanlagen, die Innsbruck mit erneuerbarer Energie versorgen. Zuletzt stand die Revision einer Kaplan-Turbine im IKB-Kraftwerk Obere Sill auf dem Programm. Das Wort Revision klingt fast zu klein, um die Größe dieses Projekts zu erfassen. „Wir haben die Maschine zum ersten Mal komplett zerlegt. Das ist zum letzten Mal vor 36 Jahren passiert“, so Martin.
Er ist gerade 42 Jahre alt geworden und war demnach ein Knirps, als die Mitte der 1960er-Jahre gebaute Kaplan-Turbine zuletzt auf diese Weise auseinandergebaut wurde, um jedes Teil und jedes Teilchen haarklein zu überprüfen, gegebenenfalls zu reparieren oder zu modernisieren und jedenfalls fit für die nächsten Jahrzehnte zu machen. „Es gibt niemanden mehr, der damals bei der Revision dabei war und die vorhandenen Pläne waren nicht sehr detailreich“, beschreibt Martin die knifflige Ausgangslage für den umfassenden Service an diesem echt stattlichen Prachtstück kompakter Ingenieurskunst, mit der seit Mitte der 1960er-Jahre die Wasserkraft von Sill und Ruetz geschickt genutzt wird, um Innsbruck mit erneuerbarem Strom zu versorgen.
Die Dimensionen sind erstaunlich. Rund sieben Meter hoch ist die Turbine, allein der Rotor wiegt 3,6 Tonnen und der Wellenstrang bringt rund fünf Tonnen auf die Waage. Der im Kraftwerk Obere Sill fix installierte Portalkran übernahm die Schwerstarbeit des Hebens. Die Feinarbeit erledigten Martin und seine Kolleg:innen, wobei sie auch kräftige Hand anlegen mussten. Etwa beim Herausschremmen des in die Jahre gekommenen Turbinenreglers, der ersetzt werden musste. „Wir haben dann auch die Fliesen neu gelegt. Wir machen wirklich alles selbst, was möglich ist“, sagt Martin, der genau diese Vielfalt und den Abwechslungsreichtum an seinem Job besonders schätzt. Und die rund 800 Kilowatt produzierende Turbine im Zwischenkraftwerk Obere Sill hatte diesbezüglich richtig viel zu bieten.
Ihre zig Einzelteile waren im Zuge der Revisionsarbeiten systematisch über alle freien Flächen der Kraftwerksanlage verteilt worden und Martin hat die so dürftig vorhandenen, am Reißbrett gezeichneten Pläne durch zahlreiche dreidimensionale AutoCAD-Pläne ergänzt. Die Funktionsweise der Maschine zu entschlüsseln, war der Schlüssel zum Erfolg. „Das ist für das Verständnis der ganzen Maschine wichtig, weil sie doch recht kompliziert aufgebaut ist“, sagt Martin und zieht den Hut vor den Ingenieurinnen und Ingenieuren von damals, wenn er sagt: „Es ist schon super, was sie da geschafft haben. Man hat in der Zwischenzeit zwar einiges dem Stand der Technik angepasst, doch das Grundprinzip ist gleich geblieben.“
Seine große Faszination für die Technik hat sich auch nicht verändert, seit er sich in jungen Jahren dazu entschieden hat, die Lehre zum Maschinenschlosser zu absolvieren. Dass der Papa Automechaniker ist, hatte ihn früh schon für die technische Welt animiert. Und weil die Mama bei der IKB beschäftigt war, war ihm auch das Unternehmen früh ein Begriff, das nun schon seit 18 Jahren seine Arbeitsheimat ist. „Ich habe mich damals ganz unspektakulär beworben und wurde genommen“, erinnert sich Martin. Alles andere als unspektakulär sind seine Einsatzbereiche. Im Sommer steht beispielsweise die komplette Erneuerung der Hydraulik der Wehranlage Ruetz am Programm. Und für kommenden Winter könnte die baugleiche Schwester jener Kaplan-Turbine zur Revision anstehen, deren Geheimnisse Martin und seine Kolleg:innen jüngst lüfteten. „Das wird einfacher“, weiß Martin. Die Luft wird er aber trotzdem anhalten, wenn auch diese Turbine wieder in Betrieb genommen wird. Weil diese Momente hochspannend bleiben.
Juni 2023